... und warum ich aufgehört habe sie zu lesen!
Ach, wir kennen sie alle: Jolie, InStyle, Glamour und Co. In jeder Drogerie, jedem Kiosk und Supermarkt findet man die Hochglanz-Cover verschiedener Zeitschriften. Eigentlich bieten sie uns viel, oder?
Tipps zu Beauty, Fashion und Socializing, die neusten Trends und der heißeste Gossip. Ich habe selbst lange und gerne nach ihnen gegriffen. Das Gefühl durch die Seiten zu blättern, sich schöne Frauen anzuschauen und erstrebenswerte Fähigkeiten zu "lernen", macht einen schon ein kleines bisschen süchtig, findet ihr nicht? Vor allem als ich ein Teenie war und das Internet erst langsam zum ständigen Begleiter im Smartphone wurde, waren diese Zeitschriften ein Pool an wissenswerten Lebenstips und Outfit Inspirationen. Und mit etwas Glück springt dabei noch eine kostenlose Parfümprobe raus!
Das Gefühl, das bleibt...
Es hat eine ganze Weile gedauert, bis mir bewusst wurde, welche Gefühle das Lesen in diesen Zeitschriften bei mir hinterließen. Es war nur vordergründig Spaß, Neugierde und Interesse. Es war vor allem Unruhe. Unruhe, weil ich es nicht schaffte all die Vorschläge und Anweisungen in den Magazinen umzusetzen. Selbstzweifel, weil ich mich Körpern gegenüber sah, von denen ich wusste, dass sie als das Non Plus Ultra gelten. Und weil mir jede Seite klar machte, dass ich weit von diesem Traumbody entfernt war. Stress, weil ich es nicht schaffte, die "Vier Wochen bis zu deinem Traumbody" durchzuhalten. Ich glaube, diese Gedanken hatte jeder von uns schon mal, oder?
Ich habe einige Fakten zum Thema Frauenzeitschriften aufgeschrieben, die mich am meisten mitnehmen.
Konkurrenz zwischen Frauen
Leider lernen wir schon sehr früh, andere Frauen als Konkurrenz wahrzunehmen. In der Grundschule geht es noch darum, wer einem die beste Freundin klauen will. In der weiterführenden Schule werden dann schon Jungs ausgespannt, Outfits und Verhaltensmuster observiert und kategorisiert. Man ist hübsch oder eine graue Maus, stylisch oder uncool. Man wird in eine Schublade gesteckt und findet sich Tag für Tag Normungen ausgesetzt, von denen eigentlich keiner weiß wer sie festgelegt hat. Und hier kommen meiner Meinung nach (neben Fernsehen & Social Media) vor allem auch Zeitschriften ins Spiel.
Warum befinden wir uns nur in ewiger Konkurrenz mit Frauen? Weil uns beigebracht wird, dass es wichtig ist zu wissen wo man steht. Und dass man es als Frau weiter bringen kann, wenn man hübscher, gepflegter und beneidenswerter ist als andere Frauen.
Interessant an dieser Stelle ist auch, dass es vor allem auch wir Frauen sind, die für das Editing in Zeitschriften zuständig sind. Männern wird oft vorgeworfen, dass sie uns zum Objekt machen (durchaus auch der Fall), aber im Grunde schaffen wir Frauen es auch ganz allein uns unerreichbare Standards vorzuschreiben und Missgunst zu verbreiten. Warum ist das bloß so?
Magazine bringen uns dazu, uns auf eine gewisse Art und Weise kritisch zu beäugen. Wir gewöhnen es uns an Urteile über uns zu fällen, die meist nicht gut ausfallen. So beäugen wir auch unsere Mitmenschen. Jetzt mal Hand aufs Herz: Wann habt ihr das letzte Mal einen kompletten Tag durchlebt OHNE euch mit anderen Frauen zu vergleichen? Ich gebe zu: Ich kann mich nicht daran erinnern. Aber ich arbeite daran!
(Frauen-) Körper
Wir sind uns mittlerweile alle darüber bewusst, dass man so einiges mit einem Foto anstellen kann. Vor einigen Jahren war Photoshop noch dieses verrückte Program, das Kilos ästhetisch über den Körper verteilen konnte. Heutzutage kann es jeder innerhalb von Sekunden auf seinem Smartphone.
Als wir uns dieses Wunders der Technik noch nicht bewusst waren, spiegelte die Welt der Zeitschriften die Wahrheit ab. Straffe Haut, petite Taille und Hüfte - manche Frauen schienen einfach damit gesegnet zu sein. Und auch heute lässt mich der Blick in die Zeitschriften staunen, wie perfekt die Frauen auf den Covers und in den Shootings aussehen.
Hier ein Beispiel von vielen: Jennifer Lawrence! Eine Frau, von der ich mir immer wünschte, sie wäre meine beste Freundin. Authentisch, cool und superschön!
Links, wie sie leibt und lebt.
Rechts. Schlankere Taille und schmalerer Brustkorb. 5 Kilo weg von Hüfte und Oberschenkeln. Und sogar längere Finger! Aber gerechterweise sind nicht nur Frauen sind davon betroffen, siehe Mr. Bieber.
Ist das denn wirklich nötig? Ist die linke Version nicht genauso viel Wert wie die rechte Seite? Meint ihr nicht auch, dass weder Justin noch Jenny das nötig gehabt hätten? Gibt es überhaupt schon Zeitschriften, die komplett ohne digitales Makeover arbeiten? Wenn ihr welche kennt, bitte lasst es mich wissen! Denn auch ich bin nicht ganz unschuldig.
Auch ich habe das lange Zeit ausgiebig gemacht! Anstatt zu denken:
"Oh wow, alles in den Zeitschriften ist gelogen.
Die Frauen sehen gar nicht wirklich so aus. Das ist nicht das Bild einer
normalen Frau, also muss ich ihm auch nicht nacheifern."
dachte ich:
"Oh wow, alles in den Zeitschriften ist gelogen.
Die Frauen sehen gar nicht wirklich so aus. Das ist nicht das Bild einer
normalen Frau. Aber das Ziel ist es offensichtlich, dem so nah wie möglich
zu kommen, also retuschiere ich meine Fotos in diese Richtung."
Schließlich hatte ich keine schmalen Oberschenkel und eine für meinen Geschmack viel zu gebärfreudige Hüfte. Mein Po sprengte jede Jeans, meine Brüste fand ich zu klein und aus einer Frauenzeitschrift wusste ich, dass ich eine Birnenfigur habe. Eine Birnenfigur.
Wirklich?! Und ich finde, das ist im Vergleich eine noch recht nette Umschreibung des weiblichen Körpers... Schaut mal hier:
(Bildquelle: Keystone)
Na? Habt ihr direkt nach der Abbildung gesucht, die euren Körper beschreibt? Macht es euch nicht auch unfassbar wütend das zu sehen? Wir werden reduziert auf die Form verschiedener Dinge. Dass wir Frauen unsere eigene Form sind, dass diese Form variiert in all ihrer Schönheit, sagt uns niemand.
Um Fair zu sein: Manche Zeitungen bieten mittlerweile Artikel darüber, dass alle Körper und Menschen schön sind. Aber blättert man weiter, verurteilen sie Stars und Sternchen nach Strich und Faden. Denn Zeitschriften folgen nur einem Trend. Und wenn der Trend Selbstliebe heißt, dann feiern sie Selbstliebe mit uns. Und dann wird uns munter weiter gezeigt wie ein schöner Körper aussieht: Symmetrisches Gesicht, volles Haar, weiße Zähne, schmale Taillen und - Queen B bewahre - kein Härchen an der falschen Stelle! Und wir schauen morgens in den Spiegel und sehen...
Uns.
Weit weg von Glanz und Gloria und scheinbar viel näher dran an Sodom und Gomorra.
Wohin führt uns das? Selbstzweifel, Essstörungen und fehlende Selbstakzeptanz stehen an der Tagesordnung.
⊳ FUN FACT ⊲
Das Wort Cellulite bekam am 15.April 1968 durch die US-Ausgabe der Vogue den Stempel, mit dem wir es in der heutigen Zeit kennen. Die Überschrift damals:
Cellulite: Das neue Wort für Fett, das Sie bisher nicht losgeworden sind
Seit dem nutzte die Schönheitsindustrie dieses erfundene Leiden um viel... viel... viel Geld zu machen. Auch ich bin schuldig, denn es steht noch eine alte Flasche "Hautstraffendes Öl gegen Cellulite" in meinem Apothekenschrank. Oh, wie ich mit ihnen gekämpft habe, mit diesen Dellen an Beinen und Po. Dabei ist Cellulite einfach nur Teil unseres Körpers.
"Aus biologischer Sicht ist Cellulite so gut wie nicht zu vermeiden. Es ist ein sekundäres Geschlechtsmerkmal, genau wie Brüste". - Max Lafontan, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei INSERM (Das französischen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung und dazu Experte für Fettgewebe. Er muss es also wissen! )
Irgendwie eine Erleichterung das zu hören, nicht wahr? Ich habe entschieden, meine Cellulite als Teil meines Körpers zu sehen, wie meine Hände und Sommersprossen. Ich kann nicht behaupten, dass ich das von den Medien eingepflanzte Schönheitsideal in meinem Kopf abgelegt habe, aber ich bin auf gutem Wege dorthin. Deshalb noch mal:
Cellulite. Ist. Normal!
Grenzwertige Ratschläge
“Viele Jungs stehen auf sexy Girlwangen. Benutze immer Rouge – das wirkt gesund und sexy auf Typen.”
“Schmink Dich jeden Tag anders. Wer immer gleich aussieht, wird irgendwann unsichtbar für Jungs.”
Okay, ich habe keine Ahnung was "sexy Girlwangen" sind und wenn ich es schaffen könnte, mich jeden Tag anders zu schminken, wäre ich absolut beeindruckt von mir.
Dass Zeitschriften zu seltsamen Ratschlägen neigen, wissen wir mittlerweile. Wie sexistisch viele dieser Tipps allerdings sind, muss man sich erst klar machen:
“Guck Jungs eher immer leicht von unten an. Das wirkt am süßesten auf Typen!”
“Stolpere in Deinen Schwarm hinein. Entschuldige Dich überschwänglich bei ihm. Er wird Dich total niedlich finden, weil Du ein kleiner Tollpatsch bist.”
Die oben genannten Tipps gab es in dem von BRAVO veröffentlichten Artikel "So fällst du Jungs auf - 100 Tipps für eine Hammer-Austrahlung!" im Jahre 2015. Das ist erst fünf Jahre her. Was macht so ein Artikel mit Heranwachsenden? Sei devot, dann finden dich Männer süß. Stell dich dumm an, damit ein Junge dich mag. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich möchte nicht, dass Teenies so etwas lernen - egal welches Geschlecht!
Weniger drastisch, aber dennoch nennenswert sind Artikel wie dieser:
"10 Steps zur ultimativen, koreanischen Hautpflege Routine"
Na, habt ihr Make-Up Entferner, Reinigungsschaum, Gesichtspeeling, Toner, Essence, Serum, Sheet Mask, Augencreme, Emulsion, Tages- und Nachtcreme parat? Nein? Dann könnt ihr bei diesem Trend leider nicht mit machen.
Versteht mich nicht falsch! Wenn ihr die Zeit, das Geld und die Muße habt das zu tun - tut es! No shame für eure Beauty Routine! Was mich nur stört ist, dass man dabei viel flexibler sein darf, als Frauenmagazine es uns verkaufen. Sie geben dir 10 Schritte für deine Haut, 10 Schritte für dein tägliches Make Up, 15 Tipps wie man die perfekte Beziehung führt, 20 Übungen mit denen man in 24 Stunden einen Traumkörper hat und die Liste ist endlos lang. Wenn man nur all diese Schritte und Tipps befolgt ist man perfekt. Es suggeriert uns Leser*innen: "Tut dies und ihr werdet eure Wünsche erreichen." Dass uns 3 Seiten vorher eingeflüstert wurde was unsere Wünsche sind, bemerken wir oft nicht.
Ein Beispiel: Wir sehen die Werbung einer Schmuckfirma. Neben dem Bling-Bling am Ohr des Models sehen wir ihre makellose (retuschierte) Haut. Wir denken:
"Uff... Und ich muss mich mit meinen Pickeln herumschlagen."
Wir blättern weiter, entdecken die koreanische Wunderroutine und denken uns:
"Das ist die Lösung."
Man spielt mit unseren Zweifeln und Komplexen. Und wir rennen in den nächsten Rossmann oder DM und kaufen unzählige Produkte, die uns am Ende vielleicht gar nicht gut tun. Und dann sitzen wir da und fühlen uns, als wären wir nicht normal. Wir machen die 20 Übungen zum Traumkörper und sehen nicht die Erfolge, die in Magazinen angepriesen werden. Und wir sitzen da und fühlen uns, als wären wir nicht normal. Wir befolgen jeden Tipp für eine perfekte Beziehung und sitzen ratlos da, wenn sie in die Brüche gegangen ist. Ist das normal?
⊳ FUN FACT ⊲
Wie sich die Jugend in den letzten Jahren verändert hat, zeigt sich wunderbar in folgendem Beispiel:
Dr. Martin Goldstein, der erste Dr. (Jochen) Sommer, sagte in einem seiner letzten Interviews bevor er 2012 starb:
Die Jugendlichen wissen heute vielleicht mehr, sind aber noch genauso unsicher. Früher haben Mädchen gefragt: "Kann ich schwanger werden, wenn ich Sperma schlucke?" und heute heißt es eher "Wie viele Kalorien hat Sperma? Werde ich davon dick?"
Womit wir wieder beim Thema (Frauen-) Körper sind.
Werbung und teure Produkte
Zeitschriften sind voller Werbeanzeigen. Ich unterscheide hier zwischen den ganzseitigen Anzeigen und den Produkten, die in Reviews beschrieben und bewertet werden. Ich weiß, dass sich Magazine vor allem durch Werbeanzeigen finanzieren, doch was mich stört ist folgendes: Auch die Reviews der Beauty Editors sind oft nicht unvoreingenommen und zu oft werden Produkte angepriesen, für die die Hersteller viel Geld an die Magazine gezahlt haben. Erinnert ihr euch an ein Produkt, von dem ein Magazin eine klare, schlechte Bewertung abgegeben hat? Mir kommt es so vor, als wären in den Reviews alle Produkte super, einige eben ein wenig besser als die anderen.
Hinzu kommt an diesem Punkt auch, dass es oft sehr teure Produkte sind. Ich weiß noch, dass ich als junge Heranwachsende (komme mir gerade ein wenig alt vor das zu schreiben) immer dachte, dass ich später mal genug Geld verdienen wollte, um mir all diese tollen Produkte leisten zu können. In der Schul- und Studienzeit waren für mich die Cremes und Shampoos der meisten Magazine außerhalb des finanziell Möglichen. Ich lebte von Drogerie Allerlei - und ich lebte gut. Trotzdem hatten die Frauenzeitschriften diesen bleibenden Wunsch in mir hinterlassen auch mal in dieser Beauty und Lifestyle Liga mitspielen zu wollen. Mehr noch: Sie hatten mich glauben lassen, dass es normal sei für ein Shampoo 60 Euro zu bezahlen. Dass ich erst dann dazugehören würde, in diesem Kreis schöner Menschen, wie sie in den Magazinen zu sehen waren.
Glücklicherweise gibt es heutzutage zig Beauty Blogger, die viel unabhängiger an ihre Reviews rangehen können. Der Shift, den unser Vertrauen gemacht hat, ist riesig! Von Magazinen hin zu Bloggern und Influencern, denen es sogar gesetzlich vorgeschrieben ist zu sagen, ob sie für Werbung bezahlt wurden.
Wer würde ihnen da nicht eher vertrauen?
Und so komme ich zum Schluss.
Sozialkritisch betrachtet, sind Frauenzeitschriften Versuche von Herausgebern die angenommenen Bedürfnisse von Frauen zu befriedigen. Dass sie damit aber Menschen in Richtungen lenken, die weder richtig noch gesund sind, habe ich lange am eigenen Leib gespürt.
Und ich bin nicht allein!
Laut Statista lag Ende der 1990 und bis Mitte der 2000 die Gesamtauflage der Publikumszeitschriften in Deutschland relativ konstant bei etwas über 120 Millionen Exemplaren. Im Jahre 2019 waren es "nur" noch knapp 79 Millionen Exemplare. Der Auflagenrückgang spricht für sich.
In der folgenden Grafik könnt ihr sehen, wie zum ersten Mal die Anzahl der verschiedenen in Deutschland veröffentlichten Zeitschriften nach unten geht.
Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass dem entgegengesetzt unser Selbstvertrauen steigt und sich unsere Liebe und unser Verständnis zu Schönheit und Gesundheit festigt.
Und weil es doch ziemlich ernst wurde, hier noch ein paar süße Katzenbabies zur Entspannung:
Lasst mich gern unter meinem Instagram Post wissen, was ihr über diesen Blog denkt! Ich freue mich über Feedback.
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